Fast wäre der Hafen in Königs Wusterhausen ein Opfer des Kohleausstieges geworden. Tiefgreifende Neuerung und Menschen, die anpackten, konnten ihn retten. Mit dem zusätzlichen Ladegleis aus der Strukturwandel-Förderung eröffnen sich weitere Möglichkeiten – für den Hafen, dessen Chef und eine Lokführerin. Es ist eine Geschichte des Wandels und wie er wehtun kann. Und wie er am Ende gelingt. Wir erzählen sie aus drei Perspektiven.
Andrea Puterczyk hätte sich vielleicht nie träumen lassen, dass Sie im Alter von 45 Jahren nochmal eine ganz neue Karriere einschlägt. Rückblickend ist sie vor allem dankbar für die Entwicklungen: „Ich bin froh, dass dieser Wandel stattgefunden hat, weil ich dadurch meinen Job jetzt hier habe.“ Die 53-jährige Lokführerin hat sich vor 8 Jahren für einen Quereinstieg in diesen Beruf entschieden. Zunächst war sie bei einem Transportkonzern angestellt und mit dem dortigen Arbeitsmodell unzufrieden. Schichtdienste, weite Dienstwege und ein wechselndes Kollegium – Sie wollte lieber einen sicheren Job in der Nähe ihres Wohnortes. Im Januar 2022 stieß Andrea Puterczyk dann zufällig auf eine interessante Stellenanzeige. Im Hafen Königs Wusterhausen wurde eine Lokführerin gesucht. Sie bewarb sich sofort. Der Hafen als Arbeitsort war dabei nicht neu für sie. „Vor meiner Umschulung zur Lokführerin habe ich schonmal eine Zeit lang hier im Betriebshof gearbeitet und die Grünflächenpflege im Hafen gemacht.“ Nun lernte sie den Hafen aus einer ganz neuen Perspektive kennen – aus der luftigen Höhe des Führerstands.
Das Strukturwandelprojekt des zweiten Ladegleises machte es möglich. Vom Kohleumschlag konnten ihr nur ältere Kolleginnen und Kollegen berichten. Von dem Moment, an dem der letzte Kohlewagon im Hafen umgeschlagen wurde, wurde ihr schon oft erzählt: eine emotionale Erinnerung für die damaligen Mitarbeitenden des Hafens. Für sich und andere ist sie ist froh, dass sich alles so entwickelt hat. „Jetzt habe ich einen wohnortnahen Arbeitsplatz, muss keine Nachtschichten mehr machen und verbringe viel Zeit an der frischen Luft”, erzählt Andrea Puterczyk glücklich. Happy End für Andrea – und nicht nur für sie.
Auch das Leben von Michael Fiedler erfuhr durch den Hafen Königs Wusterhausen unerwartete Wendungen. Beruflich war er schon auf dem Absprung, als es mit dem Hafen bergab ging. Mit seinen 53 Jahren ist er seit 2006 im Hafen tätig, zunächst als Hafenleiter während der intensiven Ära des Braunkohleumschlags. Fiedlers Weg in die maritime Welt begann mit einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der TU Berlin. Doch seine Leidenschaft für die Binnenschifffahrt entflammte erst, als er Meerestechnik mit einem Schwerpunkt auf Binnenschifffahrt studierte. „Vielleicht hatte ich eine gewisse Sympathie dafür, weil ich in Magdeburg geboren und an der Elbe groß geworden bin”, erzählt Fiedler. Trotz einer begonnenen Promotion zog es ihn schließlich in den Hafen von Königs Wusterhausen. Die Chance, in eine große Hafenstadt wie Hamburg zu ziehen, schlug er aus. „Ich wollte eigentlich nie von Berlin weg, und jetzt bin ich hier in KW hängen geblieben", sagt er schmunzelnd.
Fiedler erlebte die Hochzeiten des Kohleumschlags, aber auch die schwierigen Phasen, als das Unternehmen verzweifelt versuchte, einen anderen Kurs einzuschlagen – noch vor dem Ende der Kohleverschiffung in Königs Wusterhausen. „Da gab es ganz viele fragwürdige Projekte. Das führte jedoch nicht zum Erfolg", erinnert er sich. Nach mehr als 30 Jahren endete im Mai 2017 der Kohleumschlag im Hafen von Königs Wusterhausen. Das Kraftwerk Klingenberg wurde auf Erdgas umgestellt. Dies markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des heute größten Binnenhafens in Brandenburg und erforderte eine komplette Neuausrichtung. Über Jahre hinweg war die Braunkohle aus dem Tagebau Welzow-Süd hier auf Binnenschiffe verladen worden für die letzten 25 Kilometer auf der Dahme und Spree bis zum Kraftwerk. Der Übergang von 95 Prozent Kohleumschlag zu einem modernen, trimodalen Terminal war keine einfache Aufgabe. Fast alle Arbeitsplätze waren mit der Kohle verbunden.
Die Zukunft schien düster. Auch Michael Fiedler stand kurz davor, sich beruflich neu zu orientieren. Doch dann kam ein Angebot vom Gesellschafter des Hafens, der Stadt Königs Wusterhausen. Fiedler zögerte zunächst. „Was mich am Ende motiviert hat, war der Wunsch der Belegschaft, die gesagt haben: Du machst das!", sagt er mit einem nachdenklichen Lächeln. Michael Fiedler wurde somit in stürmischen Zeiten zum Geschäftsführer der LUTRA GmbH.
Wie Andrea Puterczyk hat somit auch Michael Fiedler seinen beruflichen Anker im Hafen Königs Wusterhausen gesetzt und dabei sein Glück gefunden. So unterschiedlich ihre Perspektiven auf den Wandel sind, so wichtig ist dabei der dritte Aspekt: Wie konnte der Hafen vor dem Untergang durch das Ende des Kohleumschlags gerettet werden?
Das geheimnisvolle Erfolgsrezept des Hafens besteht aus vier Zutaten. Klar war: Mit dem Ende des Kohleumschlags musste etwas passieren, das den erfolgreichen Fortbestand nachhaltig sicherte. Zuerst wurden sämtliche freie Flächen im Hafen mit Industrieunternehmen belegt. Durch Pacht- und Umschlagsverträge sichert sich der Hafen somit feste Einnahmen und Partner vor Ort. Die zweite Zutat, so Lutra-Geschäftsführer Michael Fiedler, zielt darauf ab, im Hafen Schwerlast- und großvolumige Güter umzuschlagen. Er verdeutlicht: „Das ist unser Beitrag zur Verkehrswende: Runter von der Autobahn und rauf auf Zug oder Schiff." Dank der Schwerlastkräne ist es im Hafen möglich, schwere Turbinen oder große Windräder zu heben. Die dritte Säule zielt auf Freizeitschifffahrt ab. Der Bau eines Freizeithafens samt Werft und Bootshalle soll den Tourismus stärken und sorgt für zusätzliche Einnahmen. Michael Fiedler betont schließlich, dass die vierte Säule, der Containerverkehr, eine besondere Bedeutung für das Unternehmen hat. „Das ist das, wo wir mit Herzblut dranhängen." Im Jahr 2019 wurde mit dem Containerterminal somit ein ganz entscheidendes neues Kapitel auf dem südlichen Hafengelände aufgeschlagen. Hier werden heute ganz unterschiedliche Güter in Containern umgeschlagen – ein Schritt in die Zukunft der Logistik. Die geplante Nutzung des Hafens als Umschlagplatz für Tesla-Komponenten aus Grünheide unterstreicht beispielsweise die Vielseitigkeit und Relevanz im modernen Warenverkehr. Die Vielfalt der Import- und Exportgüter im Hafenterminal ist groß. Während eine Tonne Kohle im Jahr 2017 ein paar Cent eingebracht hat, liegt der Wert für einen Container heute bei circa 20 bis 30 Euro. Dadurch konnten die Einnahmen des Hafens deutlich gesteigert werden. Seit Anfang 2018 wird das Erfolgsrezept auf Basis dieser vier Säulen umgesetzt. Das hat dem Hafen die positive Entwicklung ermöglicht.
Die strategische Lage des Hafens vor den Toren Berlins und die Nähe zu wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie der Autobahn 10, dem Hauptstadtflughafen und der Bahnverbindung zwischen Berlin und Cottbus spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Nach fünf Jahren im Amt als Geschäftsführer kann Fiedler mit Stolz auf die erfolgreiche Transformation des Hafens zurückblicken. „Wir haben schon gedacht, dass wir 2022 das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte geschrieben haben, aber ich kann heute schon sagen, 2023 war noch besser – und das ohne ein einziges Gramm von mineralischen Brennstoffen, die wir umgeschlagen haben", betont er.
Ein Sahnehäubchen ist nun das neue Ladegleis. Früher konnte am nördlichen Hafen immer nur ein Zug abgefertigt werden. Durch das zusätzliche Gleis, welches im September 2023 eingeweiht wurde, können heute zwei Züge parallel abgefertigt werden, das sind somit fast 100 % mehr Leistung. Der Bau der Gleisanlage kostete rund 12 Millionen Euro und wurde mit 10,3 Millionen Euro aus Mitteln zur Strukturstärkung der Lausitz gefördert. Durch Ausbauarbeiten wie diese konnten seit dem Ausstieg aus der Kohle, entgegen allen anfänglichen Befürchtungen, zusätzliche Arbeitsplätze gewonnen werden.
Der Hafen hat sich nicht nur neu erfunden, sondern blüht auf und zeigt, dass ein gelungener Strukturwandel nicht nur möglich ist, sondern auch zu Erfolg führen kann: für den Hafen, Andrea Puterczyk und Michael Fiedler. Die Geschichte des Hafens in Königs Wusterhausen ist ein faszinierendes Beispiel für den gelungenen Strukturwandel. Vom Braunkohleumschlag zum modernen Logistik-Standort hat der Hafen nicht nur überlebt, sondern ist auf dem Weg gewachsen: zu Brandenburgs größtem Binnenhafen mit Umschlag, Lagerei und Logistik. Diese Erfolgsgeschichte ermutigt nicht nur die lokale Gemeinschaft, sondern auch andere Regionen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Sie ist ein lebendiges Beispiel für die Chancen, die im Wandel liegen.